Sommer 90 bis Winter 09
Die Vergangenheit der niedlichen
Irgendwann im Spätsommer 1990 rief mich Hans Nieswandt an, der damals Redakteur der Zeitschrift „Spex“ war, dem „Magazin für Popkultur“. Ob ich vielleicht Lust hätte, eine Rezension der neuen Janet-Jackson-Platte zu schreiben. Hans war ganz offen: An derlei mainstreamigem Discopop wolle sich in Köln keiner die Hände schmutzig machen, und überhaupt kenne er einfach niemand anderen, der sowas freiwillig hörte, und daß ich noch nie eine Plattenbesprechung geschrieben hätte, mache nichts, sei doch vielleicht gerade gut. Also eine wirklich nette Anfrage, aber irgendwie, nein, leider, dazu würde mir bestimmt nichts Sinnvolles eingefallen. Aber wo er schon gerade mal dran war, fragte ich ihn, ob ich statt über Janet Jackson nicht vielleicht etwas über die ZDF-Sendung „heute journal“ machen könne, denn dazu ging mir damals Diverses durch den Kopf, die Sendung brachte mich allabendlich auf die Palme. Aha, „heute journal“, naja, auch gut, und was da so? Ich sagte, ich wolle keinen Artikel darüber schreiben, sondern lieber einen Comic machen, mit Figuren in etwa wie aus diesen telefonbuchdicken japanischen Kindercomics, die sich aber in ernsthaft getippter Schrift unterhalten und wahnsinnig über die abgründigen Texte der Nachrichtenmoderatoren aufregen, welche natürlich auch vorkämen, das alles bräuchte allerdings bestimmt eine Doppelseite Platz, ob das wohl möglich sei? Keine Ahnung, was Hans wirklich über den Vorschlag dachte, auf jeden Fall sagte er, ich solle doch mal machen. So kamen im geschichtsträchtigen Oktober 1990 die niedlichen zur Welt, und erschienen von da an allmonatlich knappe zehn Jahre lang, bis zum Ende des alten Jahrtausends.
Ebensolang wie sie damals erschienen, hat es die niedlichen nun seither nicht mehr gegeben — ungefähr zehn Jahre lang. Zwar hatte ich manchmal überlegt, die Serie wiederaufleben zu lassen, dann aber wieder zu vieles andere im Kopf. In dieser Dekade ihrer Abwesenheit allerdings verging kein Jahr, in dem die niedlichen nicht Leserpost bekommen hätten. Und daß mir völlig unbekannte Menschen auf eine vor so langer Zeit verschwundene, subkulturelle Nischen-Serie noch immer reagierten, hat mich zunehmend erstaunt, sehr gefreut, gerührt und schließlich wieder motiviert.
Die meisten Schreiberinnen und Schreiber wollten wissen, ob es die niedlichen vielleicht irgendwo als Buch gebe, und wenn nein, warum nicht. Nein, die 90er-Jahre-Folgen sind nie als Buch erschienen. Ich hatte die Serie damals einigen Literatur- und Comicverlagen angeboten und dann und wann auch über eigene Wege des Veröffentlichens nachgedacht, doch irgendwie wurde nie etwas daraus.
Nachdem sich aber inzwischen mit dem Internet wie für so Vieles auch für die niedlichen eine neue Möglichkeit der Verbreitung ergeben hat, können neben neuen Bildern und Texten nun auch die alten Geschichten aus dem 20. Jahrhundert gesammelt wiedererscheinen. Auf dieser Website werden sie (jedenfalls die etwas langlebigeren) nach und nach auftauchen. Nicht chronologisch, und manche vielleicht neu illustriert oder anderweitig überarbeitet — mal sehen.
Lieben Dank — an Hans und alle anderen!…
Felix Reidenbach
Dezember 2009